Technische Seilbahnfachtagung VTK-SBS in Disentis
Höhepunkt der Aktivitäten der Vereinigung Technisches Kader Schweizer Seilbahnen (VTK) während des Jahres ist, die gemeinsame Durchführung der Technischen Seilbahnfachtagung mit Seilbahnen Schweiz (SBS), welche dieses Jahr vom 25. bis 27. September 2019 in Disentis abgehalten wurde.
In keiner Schweizer Destination entstanden so viele neue Seilbahnen in den letzten Jahren wie in Andermatt-Sedrun-Disentis. Deshalb Grund genug für die VTK-Vereinigung ihre alljährlich stattfindende Tagung in dieser Region abzuhalten. Disentis bot mit seiner neuen und bestehenden Infrastruktur sehr ideale Voraussetzungen damit den Besuchern einen angenehmen Aufenthalt geboten werden konnte. Somit war es für den Präsidenten der VTK, Andreas Zenger, eine Freude und Ehre, die Technischen Leiter aus der ganzen Schweiz, die Freunde der VTK, die Veteranen, die Aussteller sowie die zahlreichen Sponsoren begrüssen zu können. 1993 fand die erste gemeinsame Tagung mit dem SBS, hier in Disentis statt, welche wesentlich weniger Teilnehmer zählte als heute, mit seinen heutigen 440 Besuchern. Christoph Meier, Vorstandsmitglied der VTK, führte als Moderator durch die Tagung, welche unter dem Motto „Best practis“ stand und kündigte den ersten Referenten Christian Gempeler, Sektionschef Seilbahntechnik, vom Bundesamt für Verkehr (BAV), an.
Positive Entwicklung erkennbar
Der Sektionschef informierte zu Beginn seines Referates über die Sicherheitsüberwachung im BAV. Die Überwachung erfolgt stichprobenweise und risikoorientiert und als Instrumente der Überwachung kommen Audits und Betriebskontrollen zum Einsatz. Im letzten Jahr wurden 39 Audits und 117 Betriebskontrollen ausgeführt. Das BAV stellte dabei 301 Sachverhalte fest, welche anschliessende Auflagen zur Folgen hatten. Insbesondere wurden Mängel bei der Planung der Instandhaltung, bei der visuellen Seilinspektion, bei den Fundamenten, bei der Handhabung des Betriebskonzeptes sowie bei der Organisation der Bergung festgestellt. Bei den 65 gemeldeten Ereignissen vom letzten Jahr, waren 22 Ereignisse auf Wind und Stürme, und 17 Ereignisse waren auf Fehlhandlungen beim Ein- und Aussteigen, zurückzuführen. Die restlichen Ereignisse hatten die verschiedensten Ursachen. Bei all diesen Ereignissen waren 6 Schwerverletzte, und 16 Leichtverletzte zu verzeichnen. Beim Sicherheitsmonitoring, welches das BAV bei den vier Verkehrsarten Eisenbahn, Nahverkehr, Seilbahnen, und Schifffahrt im Vergleich zur Entwicklung der letzten acht Jahre durchführte, ist allgemein beim Verkehrsträger „Seilbahnen“ signifikant eine positive Entwicklung feststellbar.
IKSS erinnerte an die Sorgfaltspflicht
Da der Leiter der Kontrollstelle IKSS, Ulrich Blessing, im Ausland weilt, wurden die Informationen der Aufsichtsbehörde IKSS, vom Mitarbeiter und Prüfingenieur Hans Baptist Seeberger, vorgetragen. Im Rahmen der Konkordatskonferenz im Mai 2019 wurde Regierungsrat Joe Christen, vom Kanton Nidwalden zum Präsidenten der Geschäftsleitung des IKSS gewählt. Gilles Délèzes, der bisherige Präsident übernahm das Vizepräsidium. Mit diesem Schritt soll eine bessere Verankerung des Konkordates in der Politik erzielt werden. Andreas Kayser bisher Mitglied des Geschäftsleitung übernahm den vakanten Posten des Sekretärs. Der Sitz des Konkordates ist wie im Konkordatsvertrag festgelegt am Sitz des Sekretärs und damit offiziell in Stans. In seinen weiteren Ausführungen erläuterte Hans-Baptist Seeberger, dass die Umsetzung eines möglichen neuen IKSS-Reglement nicht vor 2021 zu erwarten sei, da die Vernehmlassung mit den involvierten Partnern wie den Zentralschweizer Kantonen, den Betreiberverbänden, den Herstellern und dem Wasserwirtschaftsverband noch läuft. Seit der letzten VTK-Tagung sind beim IKSS insgesamt 52 Meldungen eingegangen. Davon 19 Unfälle mit insgesamt 24 Verletzten. Im Vorjahr wurden 67 Meldungen verzeichnet. 15 Vorfälle davon, sind auf Fehlverhalten von Fahrgästen zurückzuführen und 12 Vorkommnisse haben ihre Ursache in Umwelteinflüssen. Die übrigen 25 waren auf technische Störungen, mangelnder Instandhaltung, Fehlverhalten des Betriebspersonals und Dritter zurückzuführen. Mit der Meldung von Ereignissen, leisten die Betreiber einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Anlagen.
Neuer Direktor gesucht
Sepp Odermatt, Direktor ad interim von Seilbahnen Schweiz (SBS) orientierte zu Beginn seines Referates über die personellen Veränderungen beim Verband. Nach dem Abgang des Direktors am 31. März 2019 amtet er derzeit als Direktor ad interim bis ein neuer Direktor eingeführt sei. Der bisherige Präsident Dominique de Buman tritt nach 9 Jahren Präsidium beim SBS per Ende von diesem Jahr zurück. Als designierter Präsident ist Ständerat Hans Wick, Präsident Titlis Bergbahnen AG, vorgesehen, welcher noch von den Mitgliedern am Forum SBS vom 24. Oktober 2019 in Thun zu wählen ist. Die gleiche Arbeitskommission welche das Evaluationsverfahren für den Präsidenten ausgeführt hat, erstellte das Anforderungsprofil für den Direktor, der derzeit gesucht wird. Eine weitere Arbeitskommission befasst sich mit der Zusammenarbeit zwischen dem SBS und BAV. Eine zentrale Aufgabe dieser Kommission ist die Mitarbeit beim Projekt vom SECO „administrative Entlastung“. Insbesondere geht es um die Bündelung der besten Kräfte und Wissen innerhalb des SBS. Eine weitere wichtige Arbeitskommission ist die Kommission die sich mit der Entwicklungsstrategie für das Ausbildungszentrum SBS in Meiringen befasst. Diese Arbeitsgruppe erarbeitet die möglichen und zukünftigen Geschäftsfelder sowie das Geschäftsmodell für den SBS. Ebenfalls wird die Art der Methodik der Ausbildung analysiert Dies Arbeitsgruppe wird begleitet von einer externen Projektgruppe und wird ihre erste Resultate im Mai 2020 präsentieren.
Bald kein Personal mehr an Seilbahnen?
Bei seinen Erläuterungen des Vizedirektors Fritz Jost vom SBS informierte er die Teilnehmer über das Hilfsmittel, welches die wesentlichen Anforderungen der EU-Richtlinie mit den Vorgaben der heutigen Gesetzgebung vergleicht. Dieses Hilfsmittel unterstützt den Betreiber in der Wahrnehmung und Umsetzung seiner gesetzlichen Pflichten. In der Arbeitsgruppe „Wind“ soll die Frage geklärt werden, inwieweit SIA Normen bei Bauprojekten zu Anwendungen gelangen sollen. Derzeit läuft ein Testverfahren für die Erfassung von Messreihen an verschiedenen Seilbahnstützen, welche noch gefunden werden müssen. Die Arbeitsgruppe „Fahrgastbetrieb von Seilbahnanlagen ohne Betriebspersonal“ erarbeitet derzeit Grundlagen für den Betrieb von Umlauf- und Pendelbahnen ab einer Fernleit- und Überwachungsstelle ohne Betriebspersonal auf der Anlage, analog dem Betrieb von Standseilbahnen.
Der Ausbildungskurs für Maschinist B wird im Frühling 2020 erstmals in der Westschweiz sowie der dritte Ausbildungsblock vom Seilbahnfachmann angeboten. Die Technische Kommission vom SBS hielt eine Arbeitssitzung bezüglich der integrierten Bergung im Montafon im Juni 2019 ab. Eine weitere Aufgabe die der SBS wahrnimmt, ist die Erarbeitung von den Normabweichungen bei Seilbahnanlagen in Zusammenarbeit mit den Herstellern, Aufsichtsbehörden und den Betreibern. In diesen Zusammenhang fällt auch die Aufgabe zu, die Klärung von Bewilligungsfragen und Zuständigkeiten bei Standseilbahnen und Schrägaufzügen. Wie vom BAV berichtet, soll das Hilfsmittel mit der Richtlinie 4 „Umbau und Instandhaltung“ verknüpft werden, welches bekanntlich im Projekt der „administrativen Entlastung“ für KMU erarbeitet wird.
Das Lawinenereignis „Säntis“ forderte die Verantwortlichen
Nach dem Mittagessen erläuterte Frau Célia Lucas vom der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, (WSL) sowie vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos, die markantesten Lawinenereignisse des vergangenen Winters 2018/19, welche damit zum Thema am Nachmittag einführte, „wie man aus Ereignisvorfällen die besten Lehren entnehmen kann“.
Michael Wehrli, Technischer Leiter, Säntis-Schwebebahn AG berichtete von den beiden Lawinenniedergängen welche am 10. und 15. Januar 2019 auf die Schwägalp unerwartet nieder donnerten. Als die erste Lawine am 10. Januar ca. um 16.30 Uhr sich löste, hat unverzüglich die Kantonspolizei den Krisenstab zusammengestellt und übernahm vorübergehend das Kommando. Bald stellte man grosse Schäden im Restaurant vom Hotel Säntis, an Fahrzeugen sowie in der Umgebung fest. Glücklicherweise wurden lediglich drei Personen leicht verletzt. Bald nach dem Niedergang der Lawine ging ein immenses Medieninteresse los. Intensiv war die Bewältigung der Krisenkommunikation. Gleichzeitig konnte das Unternehmen eine grosse Solidarität von Helfern, der Polizei, der Feuerwehr, der Alpinen Rettung, der Rega, der Ambulanz, und dem Zivilschutz erfahren, die intensiv bei den Aufräumarbeiten mithalfen. Erneute Schneefälle zwangen uns die Räumungsarbeiten nach drei Tagen einzustellen. Starke Schneefälle in Kombination mit hohen Windspitzen führten am 15. Januar zu einem erneuten weiteren Lawinenabgang, der den Lawinenschutz der Stütze 1 sowie die Tragwerkkonstruktion in Mitleidenschaft zog.
Ueli Sutter, Projektleiter Verkauf Garaventa Doppelmayr, orientierte über das Vorgehen bezüglich der Sanierung der Stütze 1 am Säntis. Nach der Meldung vom Technischen Leiter der Beschädigung der Stütze 1 am Säntis durch einen Lawinenniedergang am 16. Januar, wurde am darauffolgenden Tag unverzüglich eine Besichtigung der Stütze vorgenommen. Bei dieser Besichtigung wurden deformierte Eckstiele sowie deformierte Ausfachungen am unteren Stützenunterteil festgestellt. Ebenfalls war die Stützenachse deformiert und die Resttragfähigkeit war nicht mehr kalkulierbar. Nun mussten rasch verschiedene Lösungsansätze erarbeitet werden und schritt gleichzeitig zur Tat über, indem dass umgehend die Stütze gesichert wurde.
Um während den Sanierungsarbeiten an dieser Stütze allfällige Bewegungen unmittelbar festzustellen, hat der Bahnhersteller Garaventa zusammen mit der Säntisbahn entschieden, die Stütze permanent mittels Globaler Navigationssatellitensysteme (GNSS)-Messungen zu überwachen. Inzwischen entschied man sich für die provisorische Instandsetzung der Stütze, um die ursprüngliche Tragfähigkeit wieder sicherstellen zu können. Um dies rasch möglichst umsetzen zu können, wurden von Garaventa sowie von einem externen Sachverständigen Statikberechnungen eingeholt. Am 20. März fand die Besprechung mit dem BAV statt, bei welcher vorgeschlagen wurde, keine Änderung beim Gesamttragwerk vorzunehmen, was das Amt auch als befristete Instandsetzung genehmigte. Mitte April wurde die Zugänglichkeit zur Baustelle durch den Seilbahnbetreiber gegeben und somit konnte mit der Baustelleneinrichtung begonnen werden. 20 Tonnen Stahl wurden neu in die Stütze eingebaut und die Montageleute von Garaventa absolvierten rund 1‘300 Mannstunden. Diese Instandsetzung ist eine befristete Lösung. Derzeit wird mittelfristig geprüft wie weit der Neubau einer Stütze an einem anderen Ort möglich sei.
Seit dem 29. Mai 2019 ist die Pendelbahn wieder in Betrieb und sämtliche Reparaturen sind abgeschlossen. Gleichzeitig konnte auch das neue Restaurant auf dem Gipfel eröffnet werden. Derzeit laufen Optimierungsmassnahmen im Bereich des Lawinenschutzes sowie die Planung für den Ersatz der Stütze 1.
Tagungsmotto „Best practics“ an verschiedenen Beispielen
Über die ausgefertigte Brandschutznorm SN EN 17064, orientierte Samuel Matti, Beratungsstelle Seilbahntechnik, SBS. Diese Norm mahnt die Betreiber zur Minimierung der Brandlasten, Rauchverbote durchzusetzen, Schulung der Mitarbeiter in Brandverhütung und –bekämpfung auszuführen, periodische Prüfungen und Inspektionen der Fluchtwege sowie der Brandbekämpfungsmittel vorzunehmen sowie die notwendigen Massnahmen zu bestimmen, die bei Erkennung eines Brandes ergriffen werden müssen. Dabei empfiehlt es sich ein Brandschutzgutachten durch einen Experten erarbeiten zu lassen, welches aussagt, was getan werden muss, um das maximale Mass an Sicherheit für den Personenschutz gewähren zu können.
Markus Menzi von der Bartholet Maschinenbau AG Flums (BMF) präsentierte die neuste Seilbahn-Generation von Bartholet, „Swiss Performance“. Swiss Performance ist ein Konzept von BMF welches sich von der Klemme, von den Fahrzeugen, von den Stationen bis auf die Strecke durchzieht, welches die Ansprüche des Herstellers wie Sicherheit, aber auch der Kunden für eine effiziente Instandhaltung, wahrnimmt.
Guido Bayard, Verkaufsleiter Simatec AG Schweiz, informierte über die Vorteile des korrekten Schmierens. Insbesondere sei bei der Schmierung auf den automatischen Einzelpunkt zu achten, welche Schmierstellen aller Art rechtzeitig versorgt. Diese Art der Schmierung ist für den Einsatz bei Wälzlager, bei Umlenkrollen, Führungsrollen, Antriebsmotoren, Kettensattel sowie für auf Seilsatteln sehr gut geeignet. Diese umweltfreundliche Schmierung schont die Infrastruktur und gewährt für ein langes Leben der Anlagen.
Am Anschluss dieser Referate erfolgte die Generalversammlung der VTK. Die Mitglieder wählten die bisherigen Vorstandsmitglieder Reinhard Lauber, Peter Lussi, Andreas Sturzenegger sowie Serge Guntern für eine weitere Amtsperiode von vier Jahren in den Vorstand. Als nächster Austragungsort der Tagung wurde Verbier bestimmt, welche vom 30. September bis zum 2. Oktober 2020 stattfindet. Nach der Generalversammlung blieb genügend Zeit um mit den Mitgliedern untereinander sowie mit den 56 Lieferanten in der Sporthalle von Disentis sich zu unterhalten, als dann anschliessend im gleichen Gebäude das Nachtessen eingenommen werden konnte.
Die Digitalisierung schreitet voran
Der Morgen des zweiten Seminartages stand unter dem Motto „Moderne Fahrkarten“. Zum Einstieg des Themas referierten Adrian Stucki von der BLS AG, sowie Martina Hänzi, FAIRTIQ AG. Sie erklärten wie das automatische Ticketing funktioniert und das derzeit in der Schweiz getestet wird. Es soll dazu beitragen, dass Reisende in der Schweiz sorglos quer durch die Schweiz reisen können und dies ohne Einschränkungen durch Verbundgrenzen. Ab dem 1. Januar 2020 soll das neue System definitiv eingeführt werden. Mit der Benützung des Mobiltelephons stehen den Kunden für die Benutzung des öffentlichen Verkehrs unzählige, beliebige sowie bequeme Möglichkeiten zur Verfügung.
Über eine weitere Art des „online Buchens“, informierte Johannes Lippert, Verkaufsdirektor Skidata. Da bereits über 90 % der 25 bis 35 Jährigen in der Schweiz intensiv e-Commerce nutzen, gilt es für Skidata die dafür notwendigen Werkzeuge den Kunden zur Verfügung zu stellen. Dank der Partnerschaft mit grossen internationalen Firmen sowie Kunden in über 100 Ländern ist Skidata verpflichtet die Herausforderungen der Digitalisierung in den Skigebieten anzunehmen, was eine Änderung bei Prozessen und Produkten verlangt.
Der Vertreter von Axess, Olivier Suter, präsentierte die Benutzung der diversen Systeme innerhalb eines Resorts, wo Axess mit einem Datenträger, Zugang zu den diversen nachgefragten Dienstleistungen vom Gast, wie Zutrittskontrolle, Parkplatzbenutzung, Verleih, Skidepot und Skischule ermöglicht. Heute ist Axess in über 50 Ländern tätig und erwirtschaftete im letzten Jahr einen Umsatz von über 42 Millionen Euro.
Als letzter Referent orientierte Hans-Peter Huber über die neusten Anpassungen im Arbeitszeitgesetz sowie zu der dazugehörenden Verordnung. Nach diesen informativen Referaten konnten die Teilnehmer zwischen dem Besuch der neuen Pendelbahn Disentis nach Cuolm da Vi oder der Gondelbahn vom Oberalppass auf den Schneehüenerstock auswählen. Beide Ausflugsziele wurden rege besucht und bildeten einen würdigen Abschluss für die tadellose Tagung in der Surselva.